Rezensionen
HYPNOSE
SHAKESPEARES „WAS IHR WOLLT" IM ZIRKUS UND ARTISTIKZENTRUM KÖLN
Es kommt einem vor wie ein stillgelegter Rummelplatz, auf dem noch ein paar Zirkuswaggons und ein kleines Viermastzelt übrig geblieben sind. Drumherum der Straßenlärm, ab und zu ein lautes Flugzeugrauschen. Die Atmosphäre des Zirkus- und Artistikzentrums Köln (ZAK) ist durch und durch urban und wirkt beinahe surreal. Eine geniale Spielstätte also, die sich das Ensemble-Duo Strahler 11 und theater24 für Shakespeares Verwechslungskomödie „Was ihr wollt" ausgesucht hat. Schließlich spielt sich die komische Dreiecks-Beziehung zwischen Viola (getarnt als Cesare), Orsino und Olivia in Illyrien ab, einer seltsamen Welt, in der ein heilloser Wirrwarr zwischen Schein und Sein herrscht.
Regisseur Karsten Schönwald bringt all das wüst, heiter und erotisch in die Manege des ZAK, indem er - ganz im Stile des „Nouveau Cirque" - Theater, Verriete und Akrobatik verbindet. Das Ergebnis ist eine urkomische Inszenierung, die aber auch immer etwas Nachdenkliches hat. So legen die dauerbesoffenen Männer Sir Andrew (Michael Schulze) und Sir Toby (Stefan Bolten) eine exzellente Screwball-Comedy hin, sind aber wie Weißclowns verkleidet, was ihnen klägliche Züge gibt. Der besondere Clou ist Susanne Königsmann als trauerschwarze Olivia: die meiste Zeit sitzt sie auf einem Trapez und pendelt stoisch hin- und her. Das ist herrlich burlesk, wenn ihr Bediensteter Malvolio (Ingo Schröer) unter ihr herhüpft, um ihr ein Taschentuch zu reichen. Es kann aber auch beschwörerisch oder sogar erotisch sein, wenn sie vorsichtig zu Viola (Tessa Biermann) schwingt und sich wieder von ihr entfernt.
Welche Stimmung auch immer, sie wirkt auf den Zuschauer wie eine Hypnose: Strahler 11 und theater24 versetzen den Zuschauer in ihrem zauberhaften Zirkuszelt in eine berauschende Trance, die die sonderbaren Zustände in „Was ihr wollt" ausgezeichnet widerspiegelt. Dabei sind die Darsteller keine reinen Artisten - sie sprechen Shakespeares Zeilen (in der Übersetzung von Thomas Brasch) so natürlich, als redeten sie immer so. Eine traumhafte Inszenierung, aus der man auch nach fast zweieinhalb Stunden nicht mehr aufwachen will.
ANANDA GRADE in: aKT.18 DEZEMBER '10
Eine Inszenierung, die ein größeres Publikum verdient hätte!
"Leider", wie mir der künstlerische Leiter und Regisseur Karsten Schönwald sagte, "sei das Publikum in der Vergangenheit zu oft mit Shakespeare Stücken aus der freien Szene enttäuscht worden und das gebrannte Kind scheue das Feuer". Hat er ohne Frage Recht. Mein Einwand dort war: "Auch das gebrannte Kind muss zum Feuer zurückgeführt werden", der von Karsten Schönwald bejaht wurde, und er uns Pressevertreter dabei in einer tragenden Rolle sieht. Also vorab - nicht alle Shakespear Stücke aus der freien Szene sind schlecht oder überdreht!
Die von Karsten Schönwald (theater24.net) im ZAK inszenierte Aufführung von Shakespears "WAS IHR WOLLT" überzeugt durch seine, in die traumhaften Welten einer Zirkusmanege versetzte, ohne Quasi ein Bühnenbild verwendend, vor Spielfreude sprühenden Schauspieler und deren rundum sehr guter Leistung. Es macht einfach Spass dem tragisch-komischen Verwechslungsspiel zu folgen. Schade nur, dass dieses Stück keine höheren Besucherzahlen hat. Für mich ist dieses Stück eine absolute Empfehlung fürs Wochenende.
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13.11.2010 - bassa58 schrieb:
Eine Inszenierung ohne Schnörkel, aber unglaublich einfallsreich mit großer schauspielerischer Präsenz und Spielfreude - amüsant, wunderbar, sehenswert!
So macht Theater Spaß: kein aufwändiges Bühnenbild, keine übertrieben gestalteten Kostüme, keine auf modern getrimmten Szenen, obwohl dem Zuschauer die Aktualität des Themas präsentiert wurde. - Ich bin der festen Überzeugung, Shakespeare hätte dies Aufführung gefallen
...
Unbedingt angucken, aber am besten ein Deckchen mitbringen (im Winter) :-)
Bewertung: *****
29.10.2010 - dirkwpunkt schrieb:
ansehen - außergewöhnliche aber gute Inszenierung bei der vor allem die ungeheure Spielfreude
des Ensembles auffällt. Und - der Erste Glühwein der Saison
Bewertung: *****