Mamet – Sexual Perversity in Chicago
Inhaltliche Projektbeschreibung
Bei dem vorgestellten Projekt handelt es sich um die Inszenierung von David Mamets "Sexual Perversity in Chicago". Es thematisiert die zunehmende Vereinzelung und Vereinsamung des Menschen im Getriebe der Großstadt. Ein Blick auf den allnächtlichen TV-Betrieb verdeutlicht diesen Zustand durch den stetigen Zuwachs von Kontaktanzeigen und Werbespots zur schnellen Nummer. Anhand von kurzen, fast als Varietenummern zu bezeichnenden Szenen soll diese im Grunde trostlose Situation durch die Vorstellung mit Humor zur Anschauung gebracht werden. Der Witz und die Komik als letzte Zuflucht vor dem Untergang.
Durch den ambulanten Alltag eines Krankenhauses als Gestaltungsansatz dieser Inszenierung blicken wir mit Mamets "Sexual Perversity ... " auf den sterilisierten Umgang der Menschen miteinander, auf derer unterschiedliche Normen- und Moralvorstellungen. Welches permanente Klingeln nach der Schwester in der Nacht, hat nicht diese schon dazu versucht, am nächsten Morgen beim Patienten die Spritze ein wenig tiefer zu setzen. Welche unbewussten Mechanismen lassen die Zuschauerquote von Ärzteserien in dieser Höhe halten?
Ursprünglich zeigt "Sexual Persercity in Chicago" von David Mamet ein Beziehungsgeflecht von vier Personen. Ein Liebespaar und jeweils der/die beste Freund-In. Das private Miteinander der Figuren steht hier im Mittelpunkt. Interessant wird es, wenn im vertrauten Gespräch der Liebenden solche Argumente ausgetauscht werden, die zuvor mittels freundschaftlichen Rats an ihr Treiben öffentlich herangetragen wurden. Da werden Dinge geäußert, die jenseits der eigentlichen Figur begründet sind. Verhaltensweisen werden deutlich, die aus der Ferne wie fremdgesteuert wirken.
Der Umzug oder Auszug von einer Wohnung in eine andere wird hier zum dramatischen Konflikt gesteigert. In personalisierter Erhöhung vollzieht sich hier der Wandel von einer Lebensform zu einer ebenso anderen wie neuen Lebensform. Auf einer anderen qualitativen Ebene ließe sich vielleicht von einer Genesung sprechen, dem Wandel vom Krankensein zur Heilung. Im Zusammenspiel dieser Prinzipen entwickelt sich dann die Ablösung vom Alltag durch die Genesung des Verletzten.
Die konzeptionelle Vorgabe, die Verlagerung des Schauplatzes vom häuslichen Alltag weg, hin zum Alltag eines medizinischen Betriebes, bedingt zugleich eine funktionelle Zuordnung des dramatischen Personals. So wird aus den vier Alltagsfiguren: der Arzt, die Krankenschwester, der Hausmeister und die Patientin. Unterschieden gemäß einer Medizin der vier Säfte, also in den Sanguiniker, die Cholerische, den Phlegmatiker, die Melancholische, entspinnt sich aus den wechselwirkenden Kräften dieser Elemente die erotische Anziehung der Erkenntnis des Gleichen durch sich selbst.
Zur Entwicklung der Figur bedient sich der Schauspieler eines bestimmten Ausdrucksspektrums mittels seines alchemistischen Schlüssels. Um die Besonderheit vom Übrigen zu unterscheiden, was von Nöten ist, will man die Verwandlung verstehen, ihren Prozess vollziehen, bedarf der Schauspieler die scheinbare Auswahl zur Freiheit. Damit berührt sein Wesen die Anwesenheit seiner Figur. Auf der Bühne charakterisiert gerade dieses scheinbare Auswahl zur Freiheit der Handlung den Unterschied zwischen privat und öffentlich.
In Thomas Manns Schilderung des Zauberbergs, wo sich Menschen mit ihren Röntgenbildern zur Schau stellen, als wollten sie sich gegenseitig ihre Briefmarkenalben zeigen, dort ließe sich eine treffende Parabel für das Haus der Kranken als Bildnis der Welt finden. Aber während Mann die Konversation pflegt, eskaliert Mamet mit wüsten Beschimpfungen.
Den Figuren Mamets sind bestimmte Sprachklischee zugeordnet, so dass ihre Entwicklung scheitert. Der sicherlich reißerische Titel "Sexual Perversity in Chicago" lässt den Zuschauer zunächst einen Sündenpfuhl der Lust vermuten, ein Treiben gleich Sodom und Gomorra. Doch schon bald gibt Mamet zu verstehen, dass der Anspruch höher ist als die Fähigkeit zur Intimität.
Die verwendeten Hilfsmittel, insbesondere die der Raumausstattung, sollen dazu dienen, im Reflex zur Wirklichkeit, den Alltag eines Krankenhauses zu beschildern. Die raschen Szenenwechsel werden bühnentechnisch dadurch gelöst, dass allein die Raumprojektion verändert, sozusagen, das Dia ausgetauscht würde. Durch stereotype Momente von Seiten des szenischen Personals findet der Zuschauer schnell bekannte Verhaltensweisen wieder. Sollte es die raumtechnische Voraussetzung ermöglichen, verschiedene Szenen simultan zu spielen, der Zuschauer behielte dank multimedialer Installationen die Übersicht.
Von Seiten des Marketings hätte das Projekt Chancen, durch Kooperation mit den entsprechenden Verbänden, insbesondere für Unternehmen aus dem Gesundheitssektor von Interesse zu sein. Durch den spielerischen Umgang mit der Gerätschaft erfahren die verwendeten Produkte eine ästhetische Aufladung. Gerade vor dem Hintergrund der Anonymität im Versicherungswesen könnten sich beispielsweise Krankenkassen erlebnisorientiert bestimmten, um sich damit als kundennah zu profilieren. Auch Themen, die von der Gesellschaft nur peripher behandelt werden, finden unterhaltsam ihre Öffentlichkeit. Kommunikative Idee dabei ist: Forschung als Versuch und Versuchung! Somit wäre das Projekt auch für Unternehmen aus der Pharmaindustrie als Sponsoring zum Imagegewinn interessant.