HALDERNABLOU

Theatervorstellung nach Alfred Jarry

Dramatis Personae:

  • Der Herzog Haldern
  • Ablou, sein Page
  • Die Mutter
  • Die Alte
  • Der Arme
  • Der Eulenpastor
  • Der Chor, unsichtbar und unbegreiflich.

Inhalt:

Selbstdarstellung

theater24 ist Ausdruck eines kreativen Willens zur ästhetischen Gestaltung der medialen Öffentlichkeit, womit u.a. auch die Vorstellung von einer digitalen Ontologie im Medium der Aufführung verbunden ist. Im Wesentlichen richten sich die Veranstaltungen des theater24 daher an das Interesse, im künstlerischen Versuch die moderne Schnittstelle von Mensch und Maschine zu kommunizieren. Insbesondere aufgrund der Verwendung geisteswissenschaftlicher Verfahrensweisen zur qualitativen Steigerung der ästhetischen Produktivität sollen solche Themen der öffentlichen Kommunikation zugänglich gemacht werden, von denen im weiteren eine schöpferische Lösung des alltäglichen Konflikts im Widerspruch von Realität und Fiktion, bzw. von Virtualität und Wirklichkeit durch das Medium Theater zu erwarten ist. Mit dem Vorhandensein eines virtuellen Digitals ist zugleich die informale Reproduktion des Alltags dem mimetischen Prinzip im A=A mathematisch entrückt. Das theater24 sucht somit nach möglichen Produktionen, in denen beruhend auf einer innovativen Ästhetik zwischen medialer Kommunikation und digitalem Virtual vermittelt werden soll.

Nach „back@online“ (ein multimediales Theaterprojekt in dt.-pers. Transskription von Samuel Becketts „Krapp´s Last Tape, Endgame, Act without Words I+II“) beabsichtigt das Theater 24 mit „HALDERNABLOU“ nach Alfred Jarry seine künstlerische Arbeit zu konkretisieren. Obwohl das Theater 24 seine Produktionen projektbezogen ausrichtet, so missachten seine Projekte nicht die Absicht, eine längerfristige Aussicht einzurichten.

Als kommunikative Idee der Vermittlung ist geplant, verschiedene Schriften zur Konzeption der künstlerischen Leitung im Internet zu veröffentlichen. Gedacht ist dabei an eine Homepage, die zugleich als Forum zur Diskussion über den Inhalt des Zusammenhanges zwischen Theater und Virtualität fungiert.

Projektbeschreibung / Ziele und Arbeitsschwerpunkte

Dieses Projekt beschreibt eine ästhetische Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Phänomen virtueller Gewalt, insbesondere in den Medien. Im Zuge der Entwicklung kommunikativer Techniken und dank Zunahmen medialer Virtualität erscheint deren Potenz verstärkt im Alltag samt seinem Erleben wider als Ausdruck von unkontrollierter Ordnung, Willkür und bedingungsloser Entschiedenheit. Kulturschaffende Betriebe wären demnach angesprochen, zur Aufklärung dieser Verhältnisse beizutragen, will Kultur als Befriedung des Gewalttätigen gelten. Als ästhetische Annäherung an öffentlich geäußerte Gewalt soll mit diesem Projekt deshalb dem Bestreben nach Bewältigung solcher Ereignisse im Leben ein Weg geöffnet werden, auf dem deren Erfahrung über den Nachvollzug der Wahrnehmung im Ganzen zugänglich wird. Damit sollen zum einen der gesellschaftlichen Debatte über die Inhalte zur Begegnung der Gewalt im Alltag richtungsweisende Impulse verliehen werden. Zum anderen soll dem Phänomen Gewalt im Alltag eine künstlerische Form entgegengestellt sein, die ebenso das Gewalttätige behandelt, wie deren verführende Vergnüglichkeit im Medium Unterhaltung ästhetisiert. Hauptsächliches Ziel dieses Projektes ist daher, eine Vermittlung zwischen dem zerstörerischen Prinzip der Gewalt und dem organisierenden Prinzip der Gesellschaft herzustellen.

Der dementsprechend ganzheitliche Ansatz zur Ästhetik des Projektes beruht auf einer innovativen Deutung der alltäglich erlebten Gewalt. Durch experimentellen Umgang mit diesen Paradoxien des Erlebens, die sich im Alltag ergeben, soll modellhaft das Axiom einer >Identität des Gegensatzes< intellektual zur Anschauung gebracht werden, um dadurch die empfindlichen Totalitäten im letzten Abschied vereinzelt vorzustellen. Mit der paradigmatischen Annahme dieses Verhältnisses tritt schwer Begreifbares zutage, das sich dem einfachen Verstehen ebenso entzieht, wie es sich dem leichten Erleben widersetzt. Diesem sonderlich Fassungslosen innovativ zu begegnen, ist deshalb in erster Line als Arbeitsschwerpunkt des Projektes zu bezeichnen.

Ausführliche Darstellung der Projektkonzeption und des geplanten Projektverlaufs

Dass „HALDERNABLOU“ – ein frühes Jugendwerk von Alfred Jarry – in Deutschland bislang nicht aufführt wurde, obschon der Autor mit seinem „König Ubu“ nicht nur in der Geschichte des avantgardistischen Theaters als hinreichend bekannt gelten kann, mag in gewisser Hinsicht am sprachlich äußerst bizarren Duktus liegen, in dem sich seine Figuren hier scheinbar zusammenhangslos und doch miteinander unterhalten. Laut biographischer Notiz war es ein beliebtes Spiel zwischen Jarry und seinen Freunden, dass sie sich versuchten, sich beim Schreiben von Theaterkritiken im Stile eines manieristischen Symbolismus an grotesker Verstiegenheit, sinnlicher Komplexität und erlebbaren Zusammenhängen wechselseitig zu übertreffen. Produktionsästhetisch bezogen auf „Haldernablou“ bedeutet dies, dass sich sein Inhalt einem jeden einfachen verbalen Verständnis verstellt, so dass sich damit einem eigentümlicherweise selbst die Handlung entzieht. Festzustellen bleibt einzig, dass die beiden Protagonisten über gesellschaftliche Bestimmungen hinweg den leidenschaftlichen Abschied von ihrer lustvollen Liebe zelebrieren.

Ursprünglich als homoerotische Reflektion des Autors verfasst (die Eltern seines Freundes verwehrten ihrem Sohn den Umgang mit Jarry, nachdem sie erfahren hatten, dass er mit Léon-Paul Fargue intimen Umgang pflegte, indem Sie ihren Sprössling für die restliche Schulzeit nach Deutschland verbannten), so ist „Haldernablou“ heute Gegenstand einer pataphysikalischen Betrachtungen, wie sie durch „Dr. Faustroll“, Begründer dieser Wissenschaft, mittels seiner Diskussion über eine >Identität des Gegensatzes< nicht nur im „Cäsar-Antichrist“ zur Vorstellung kommt. Deswegen ist im Weiteren nur von einer kryptischen Textentschlüsselung zu sprechen, auch wenn dieses dann nicht als Interpretation von Handlungen, sondern als Deutung von Ereignissen zu verstehen ist. Von diesem verwirrenden Hintergrund verdeckt, erscheinen dann die sowohl sexuell wie auch sozial als durchaus radikal zu bezeichneten Positionen, die der Autor des „Haldernablou“ mit diesem Werk bezieht, im Ästhetischen als gewaltige Überschreitung gesellschaftlicher Konventionen und Bewertungen, die unter strukturellen Gegebenheiten Verwirrung stiften. Bereits der Titel ist Programm; vereinen sich doch mit diesem die Namen Haldern (für den Herzog) und Ablou (für seinen Pagen), ohne dass im einzelnen zu verstehen ist, wie sich die Protagonisten eigentlich zu einander verhalten können. Im moralischen Moment des Abschieds schildert „Haldernablou“, dass die Überwindung herrschaftlicher Verhältnisse auf ästhetischer Ebene zugleich den Verlust eines bestimmten Gemeinsinnes bedeutet, von dem im Weiteren nicht mehr zu sprechen ist.

Jarrys Vorstellungen vom Theater sind beeinflusst vom zeitgenössischen Stil des grand guignol im späten 19. Jahrhundert auf Pariser Bühnen. Stilistisch ist diese Kunstform heute vielleicht vergleichbar mit dem Genre des Horrorfilms, dabei aufgrund struktureller Präpositionen (wie z.B. schnelles, günstiges Produzieren) noch am ehesten mit der Gattung des Splatter, die sich vor allem in der Qualität eines b-movie auszeichnet. Darüber hinaus ist jedoch noch zuzüglich zu bemerken, dass die meisten der dramatischen Werke von Jarry zuvor von ihm und seinen Mitschülern in Form privater Puppenspiele zur Anschauung kamen, bevor sein Ubu-Werk als iefant terrible die Bühne des öffentlichen Lebens betrat und gleich zu Beginn diesen obszönen Laut von der Rampe raunte, der das Premierenpublikum derart brüskierte, dass diese Aufführung zu einem jener historischen Theaterskandale führte, die von der Theatergeschichte als Auftakt des avantgardistischen Dramas festgehalten werden. Von Bedeutung ist dieser Hinweiß insbesondere, als dass damit eine bestimmte Vorstellung von Bühnenfiguren begründet ist; mehr vom Umgang mit sich wandelnden Spielfiguren geprägt, weniger als moralisches Subjekt überzeugt, um so vielmehr eine Typisierung hervorzurufen, die die Charaktere in der Handlung unterscheidet, so dass bestimmte Strukturen des Systems wiederkehrendes Erscheinen verkörpern, aus dem die Spielfigur als Puppe zur Rolle verwandelt hervorgeht. Die materielle Begrenztheit des szenischen Personals verlangt die Wiederkehr des gleichen verschiedenen Körpers, zum untoten Objekt erhoben, das sich seiner grausamen Präsenz nicht bewusst ist und so dem Ganzen furchtlos gegenübersteht. Ohne die Bereitschaft der Anteilnahmen der Unbetroffenen am Scheitern individueller Lebensentwürfe wäre die Sorge über Einzelschicksale unbegründet. So aber muss ein Interesses am Untergang des Individuellen vorausgesetzt sein, das sich sein Recht selbst besorgt.

Dass Angst und Schrecken zu verbreiten zu den wesentlichen Zielen des Terrors zählen, lässt sich nicht nur in der jüngsten Geschichte festhalten. Dennoch unterscheidet sich dieses Erscheinen der Gewalt vom Horror insofern, als dass hier eine ästhetische Erfahrung bewirkt, während dort eine politische Überzeugung hervorgebracht wird. Dass jedoch Gewalt um der Gewalt willen zugleich einen medienkritischen Begriff von Verantwortung benötigt, macht die theaterwissenschaftliche Notwendigkeit dieses Projektes deutlich. Was auf den ersten Eindruck wie ein artifizielles Spielzeug vorkommt, verwandelt sich bei näherer Betrachtung zugleich in der Schock wirklicher Gewalt, wie diese auf den Straßen von Jerusalem alltäglich erlebt wird; jenem Ort, dem auf ästhetischer Ebene obliegt, als nationale Hauptstadt zweier souveräner Staaten politischer umstritten zu sein. Dem Unvermögen zur ideologischen Einigung und der daraus resultierenden Gewalt stellt Alfred Jarry mittels seinem „Haldernablou“ ein Erlebnis entgegen, das gerade auf der Annahme von einer konstituierenden Paradoxie im Ganzen beruht und da heraus begründet ist. Nur auf ästhetischer Ebene verletzt Jarry den Anspruch auf Verständigung, dem politischen Umfeld hat sich „Haldernablou“ längst widersetzt.

Polymorphe Transposition des Textes mittels Tanz und Sprache

Der radikale Umgang mit der Voraussetzung des Vertrauens im Begreifen, von Jarry mit dem sinnvollen Verständnis der Sprache derart tabulos betrieben, erzeugt im ersten Augenblick einen solchen Schock, dass auch Antonin Artaud, jener Visionär einer avantgardistischen Ästhetik vom Double der Grausamkeit, sein erstes eigenes Theater nach diesem Autor benannte. Im Schock ist die sprachliche Welt von Jarrys „Haldernablou“ nicht eindeutig zu definieren. Zum einen folgt ihre Erscheinung einer assoziativen Poetik, d.h. die kommunikabelen Ausdrücke erzeugen bei der Beschreibung des wirklich Realen durch die Figuren einen widersinnigen Klang resultierend aus einer Reihe bizarrer Wörtern, zum anderen findet der erotische Ton, d.h. der sinnliche Kontakt, das Verhältnis zwischen dem Herzog und seinem Pagen, hauptsächlich auf verbaler Ebene statt; in gegenseitigen Liebesschwüren, die sie sich gegenseitig abhängig bekündigen. Da jedoch damit der Sinn des Textes allein nicht mit Worten zu fassen ist, diese sich infolge jener >Identität des Gegensatzes< nach Jarry selbst widersprechen und sich demnach dem Begreifen selbstverständlich entziehen, obwohl dieses aus jenem besteht, lässt sich nur schwer eine Handlung nachvollziehen. „Haldernablou“ erzählt keine Geschichte, sondern ist eine lebhafte Abfolge von Bildern, die dem Moment des Abschieds gewidmet sind.

Der Mehrschichtigkeit der sprachlichen Vorlage soll auf schauspielerischer Ebene durch den Widerstreit verschiedener darstellerischer Mittel begegnet werden. Demgemäss wird der gesprochene Text ebenso hinsichtlich seines bildhaften Charakters analysiert, wie die vollzogene Handlung im Körper umzusetzen ist.

Die Mehrstimmigkeit des Textes, insbesondere ersichtlich im Chor, soll über Lautmalereien um körperlichen Klang ringen. Sein verbales Verhalten basiert einerseits auf dem Bestehen herrschaftlicher Strukturen, wie andererseits auf lustvoller Überwindung desselben. Indem Homoerotik als ein Motiv der Handlung festgehalten wurde, soll für diesen Bezug eine konkrete Anwendung mittels sexueller Praktiken zur Vorstellung kommen. Im Überschreiten moralischer Konventionen wird jenes Verhältnis von Opfer und Täter fraglich, das im einseitigen Lustgewinn Gewalt wahrnehmbar wird.

Nach Abschluss der organisatorischen Vorarbeiten sollen anhand angewandter Improvisationstechniken in der Probenarbeit zunächst solche Momente des Textes behandelt werden, die in ihrer Bildhaftigkeit den Abschied von einander betreffen.

Das dramaturgische Verhältnis der Bühnenfiguren sieht vor, dass die tragenden Rollen zunächst vom Chor, dann von den vier anderen und schließlich von einander zu unterscheiden sind.

Im Bühnenbild findet sich die Inszenierungsidee umgesetzt mittels dem Ornament als Motiv barocker Gartengestaltung. In Anlehnung an die Schnittstelle von Mensch und Maschine hinterlässt sich in derselben Anwendung das Spektrogram zwischen Kunst-Züchtung und Natur-Schöpfung.

Die Ausstattung der Akteure bedient sich bezüglich der Requisite zum einen an stilistischen Elementen des Horror- und Gruselgenres, z.B. Effekte mittels Maske, zum anderen werden die Akteure, gemäss einer Idee der Spielfigur, selbst zur Ausstattung.

Im lasziven Spiel zwischen einem Vampir, dem gealterten Graf Dracula, und seiner Domina wird die Inszenierungsidee skizziert zur Anschauung gebracht.