Die Schlündelgründler

Konzeptioneller Entwurf zum theaterpädagogischen Vorhaben mit Grundschülern anhand dem Theaterstück „Die Schlündelgründler“ von Ken Campell

 

Ausgangspunkt für dieses theaterpädagogische Vorhaben ist das Theaterstück „Die Schlündelgründler“ von Ken Campell, das der Autor ursprünglich für sein berühmtes Clownsduo geschrieben hat. Auf dem Klappentext dazu heißt es: „Eines Morgens, als sie sich schlaff und lustlos fühlen, erfinden Fazz und Zwoo das Schlündelgründeln: neue Wörter, aus denen zwangsläufig neue aufregende Dinge entstehen. Dass die beiden mit ihren sprachlichen Neuschöpfungen für einige Verwirrung sorgen, versteht sich von selbst.“ Laut Verlag ist das Stück für Kinder ab 8 Jahre geeignet.

Im thematischen Zentrum des Vorhabens steht der Komplex „Spiel – Sprache – Clownerie“, wobei anhand der textlichen Vorlage Szenen und Situationen (weiter-)entwickelt werden, die das Verhältnis von Ordnung und Freiheit durch darstellendes Spiel behandeln. D.h, einerseits orientieren sich dabei die theaterpädagogischen Übungen am Schwerpunkt >Sprechen und Zuhören< gemäß dem Lehrplan Deutsch Grundschule, indem die Teilnehmenden im Rollenspiel dazu angeregt werden, miteinander verbal wie non-verbal in Austausch zu treten; gerade spielerische Aufgaben aus dem Bereich Clownerie bieten dafür reichlich Kontaktpunkte. Andererseits können ausgewählte theaterpädagogische Übungen auch das entwicklungspsychologische Stadium von Kindern im Grundschulalter berücksichtigen, das sich zum einen nach Piaget als Stufe konkreter Operationen, also als Entwicklung von Logik und rationalem Denken zu erkennen gibt. Zum anderen ist dieses Stadium nach Erikson geprägt von dem Bedürfnis des Kindes, etwas Nützliches und Gutes zu machen, was dieser als Werksinn bezeichnet, wobei dessen Überstrapazierung demgegenüber Gefühle der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit entstehen lassen. Auch hier bietet die Clownerie als darstellerisches Mittel den Rahmen, in dem entwicklungspsychologische Aspekte in die theaterpädagogische Arbeit einfließen können, wie sich dieses am Beispiel des clownesken Stolperns verdeutlichen lässt. Wird dieser Vorgang nämlich in Zeitlupe durchgeführt, erfährt der Akteur, dass sich die Bewegung Schritt für Schritt einem Kulminationspunkt nähert, diesen erreicht und im Fallen schließlich überschreitet. Der Schwund des Gleichgewichts bewirkt einen Moment des Kontrollverlustes, der aber im geleiteten Fallen mittels Zeitlupe sogleich wieder aufgefangen wird. In diesem Beispiel spiegelt sich also nicht nur – wenn auch ins Gegenteil verkehrt – der Äquilibrationprozess nach Piaget wider, sondern ebenso kommt hier der Werksinn nach Erikson zutage, indem der Akteur durch Zeitlupe besonders langsam zu fallen bzw. sich abzufangen versucht. Zugleich werden auch Gefühle der Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit im Fallen als Bild des Scheiterns aufgehoben und in darstellendes Spiel übertragen. Insofern dieses Scheitern dann sowohl bei sich selbst wie auch bei anderen erleben wird, trägt der theaterpädagogische Prozess darüber hinaus zur Moralentwicklung nach Kohlberg bei, indem die Akteure aufgefordert sind, sich an interpersonalen Übereinstimmungen zu orientieren. D.h., die Erfahrung des Gleichgewichtsverlustes kann im clownesken Spiel als Wert um seiner selbst willen erkannt werden und bietet somit ein strukturelles Äquivalent zur Verinnerlichung moralischer Regeln.

In der Anwendung entwicklungspsychologischer Einsichten zur konzeptionellen Ausrichtung der theaterpädagogischen Arbeit manifestiert sich der innovative Aspekt sowie der Modellcharakter dieses Vorhabens. Innovativ daher, weil interdisziplinäres Denken hier praktisch, d.h. in Form von spielerischdarstellenden Aufgaben in ästhetische Erfahrung transponiert wird. Modellhaft, da dieser Ansatz ebenso auf theaterpädagogisches Arbeiten insgesamt zu übertragen ist. Die mitunter ins Leere laufende Formel, den Teilnehmenden auf dem Niveau zu begegnen, auf dem sich diese befinden, um sie von dort für das darstellende Spiel abzuholen, begegnet dieses Vorhaben explizit durch Berücksichtigung der entwicklungspsychologisch verstandenen Stadien und Stufen der beteiligten Akteure.

Insofern hat sich diese Vorhaben auch nicht zum Ziel gesetzt, die Spielvorlage von Campell insgesamt zur Vorstellung zu bringen; zumal die 31 Seiten Stücktext unmöglich in max. 45 Minuten abgehandelt werden können. Aufgegriffen wird vielmehr die Idee, wie sich durch veränderten Sprachgebrauch gleichfalls die Wahrnehmung von Dingen verwandelt. Wie viel kreative Freiheit verträgt sprachliche Verständigung? Wo beginnt das Chaos? Wann wird Ordnung zur Doktrin? Vor diesem Hintergrund sollen einzelne Szenen und Situationen der Vorlage theaterpädagogisch-dramaturgisch bearbeitet und dem darstellenden Spiel zugeführt werden, wobei das gestaltende Narrativ der abschließenden Werkschau mit den Akteuren gemeinsam zu entwickelt ist.